Heinz Goll, Jahrgang 1938, war u.a. 1. Bevollmächtigter der IG Metall Gaggenau, SPD-Stadt-, und Kreisrat sowie vier Legislaturperioden Landtagsabgeordneter für den Wahlkreis Rastatt. Goll war zudem ehrenamtlicher Richter am Sozial- und Arbeitsgericht sowie alternierender Vorsitzender der Agentur für Arbeit und im Vorstand der AOK in der Region Rastatt. Träger des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse und am Band, der Willy-Brandt-Medaille und Ehrenbürger der Städte Gaggenau und Annemasse (Frankreich). Goll hat sich in vielen Vereinen engagiert; ein Herzensprojekt war immer der Verein Gaggenauer Altenhilfe, bei dem er jahrelang stellvertretender Vorsitzender war.
Was verbindet Sie mit der Gaggenauer Altenhilfe?
Heinz Goll: Ich bin Gründungsmitglied. Als Stadtrat habe ich von Anfang an die Idee einer Institution für ältere Mitbürger unterstützt und mitgetragen. Es gab in der Bevölkerung auch kritische Stimmen gegenüber den Plänen vom damaligen Oberbürgermeister Helmut Dahringer. Aber ich stand voll dahinter und auch die beiden Kirchen haben die Idee mitgetragen. Oberbürgermeister Dahringer war ein Kommunalpolitiker, der bei seinen Entscheidungen immer auch die Zukunft im Blick hatte. Wir haben nicht nur zur Kenntnis genommen, wie sich die Struktur in unserer Gesellschaft verändert und sich auch noch weiter verändern wird, sondern auch entsprechend gehandelt. Die Großfamilien, drei Generationen unter einem Dach, werden immer seltener. Gleichzeitig werden die Menschen älter, das erforderte politisches Handeln. Früher hat man gesagt, dass man bei seinen Großeltern und Eltern lebt und denen im Alter hilft. Aber das ist heute eine Ausnahme und man fragt sich, wie soll das bei diesem Trend funktionieren? Da brauchen wir gute Lösungen.
Sind Sie stolz auf die Gaggenauer Altenhilfe und was die Verantwortlichen geschaffen haben?
Heinz Goll: Ja! Für mich war das Helmut Dahringer-Haus in meiner Abgeordnetenzeit immer ein Vorzeigehaus. Ich war immer stolz darauf, wenn ich Abgeordnete, also meine Kolleginnen und Kollegen, eingeladen hatte und ihnen das Helmut Dahringer-Haus zeigen konnte. Auch als stellvertretender Vorsitzender vom Sozialausschuss im Landtag von Baden-Württemberg habe ich das Modell Gaggenau gerne gezeigt: die Architektur, die Gestaltung und Einteilung. Das ist ein gelungenes Projekt und auch heute noch ein Vorzeigemodell.
Sie waren ein sehr aktiver Mensch. Wie leicht fällt es Ihnen heute, ohne Ämter zu leben?
Heinz Goll: Es ist für mich nicht einfach. Früher bin ich von Termin zu Termin gehetzt. Mein Leben bestand durch die Vielzahl der Ämter, die ich begleitet habe, aus Hetze. Mein Büro war im Grunde mein Wohnzimmer. Es ging bei mir immer rund, ständig habe ich überlegt: Was mache ich als nächstes? Meine Lebensplanung hat sich radikal verändert. Als junger Mann war meine Lebensplanung, mit 58 Jahren aufzuhören, um dann zu reisen. Doch je näher ich der 58 gekommen bin, war das Ziel in weite Ferne gerückt. Denn all meine Funktionen haben mich festgehalten, sie brachten mir Zufriedenheit und Erfüllung. Ich hatte nach wie vor Lust auf Gestalten, Organisieren und vor allem auf Politik, die mich mein ganzes Leben lang gefesselt hat. Doch dann habe ich einen Herzinfarkt erlitten, verbunden mit einem Herzstillstand und plötzlich war alles anders. Ich lag in einem Stuttgarter Hotel im Bett, starrte zur Decke und dachte: Wenn du jetzt wieder einen Herzstillstand bekommst, bis die Putzfrau da ist, bist du im Jenseits. Dieser Gedanke hat dazu geführt, dass ich mir gesagt habe: Wenn du wieder richtig auf die Beine kommst, fängst du das Reisen an. Das haben meine Frau und ich dann auch gemacht. Wir haben viele Länder dieser Erde besucht. Dennoch habe ich mich weiter aktiv an der Gestaltung des öffentlichen Lebens und in der Politik beteiligt bzw. engagiert. Ich habe zahlreiche Ehrenämter bekleidet, habe Vorträge gehalten, mich auch am kulturellen Leben beteiligt und bin sogar bei der GroKaGe als Pantomime aufgetreten. Leider ist heute in meinem sehr hohen Alter familiär und gesundheitlich nicht mehr viel möglich.
Wie sehen Sie die Rolle des Ehrenamtes bei der GAH und in einer Gemeinde grundsätzlich?
Heinz Goll: Ehrenämter sind sehr wichtig, und dass sich Menschen für andere engagieren. Leider geht das an vielen Stellen immer weiter zurück. Je größer die Distanz zu den Bürgern wird, desto geringer ist das Interesse, sich zu engagieren. Eines der wichtigsten Bausteine in unserer Gesellschaft ist das Ehrenamt. Ein römischer Dichter formulierte es so: „Die menschliche Gesellschaft gleicht einem Gewölbe, das zusammenstürzen würde, wenn nicht die einzelnen Steine sich gegenseitig stützen würden.“ Wie recht dieser Philosoph schon damals hatte. Denn ohne den selbstlosen Einsatz von Bürgerinnen und Bürgern würde die soziale Temperatur in unserem Land deutlich absinken. Ohne den selbstlosen Einsatz von Menschen wäre auch unsere Gemeinde um vieles ärmer. Hier muss man sehr aufpassen, denn die Menschen setzen durch viele andere Einflüsse, wie z.B. Fernsehen oder Computer, andere Prioritäten. Diese Entwicklung ist zu bedauern, aber man muss sie stoppen. Wir müssen stärker auf die Menschen zugehen und ihnen gute und meditierende Tätigkeitsfelder anbieten. Ehrenamtliches Engagement tut nicht nur der Gesellschaft gut, sondern auch den Betroffenen selbst und hält auch fit.